Ritterlich nach Treu und Glauben

Dienstag, den 02. April 2024 um 10:27 Uhr Gut zu wissen - Recht & Unrecht
| Drucken |

Justitia Figur - Autor Roland Meinecke (c) Wikimedia Commons, GNU Lizenz für freie Dokumention (GFDL) und CreativeCommons (CC) <-KLICK[Deutschland] Das gibt es auch heute noch: Gute Sitten. Man kann es kaum glauben, da in unserer hochzivilisierten Welt längst so manches aus dem Ruder gelaufen ist: Kinder werden bis zur Verzweiflung in der Schule gemobbt, Erwachsene in Facebook & Co angegiftet und niedergemacht, und große Konzerne scheffeln gnadenlos Geld ohne Ende, während Oma und Opa nicht wirklich gut von ihrer Rente leben können. Trotzdem sind "gute Sitten" laut Definition des Bundesgerichtshofs (BGH) ein rechtlicher Begriff und entsprechen immer noch unserer Rechts- und Sozialmoral. Schau an!

Zu "Recht und Gesetz" findet man Auskunft u. a. in Wikipedia :

- Im Zivilrecht sind sittenwidrige Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB dem Grunde nach nichtig (bedeutungslos und ohne Wert). Dabei kommt es jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

- Gleiches gilt im Verwaltungsrecht mit § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG für einen sittenwidrigen Verwaltungsakt.

- Im Strafrecht schließt eine Einwilligung in eine (mögliche) Körperverletzung (z. B. bei einer Massenschägerei / Sado-Maso-Spielchen / ungesicherten lebensgefährlichen Autorennen... ) nur dann die Strafbarkeit des Handelnden aus, wenn diese nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 228 StGB). Ein sinnvolle Erklärung dazu findet sich HIER <-KLICK

- Im Wettbewerbsrecht wird der Begriff der guten Sitten seit 2004 nicht mehr verwendet. Stattdessen wird das Wort Unlauterkeit im Gesetz verwendet. Siehe: Unlauterer Wettbewerb (UWG) <-KLICK.

- Das Patentrecht verbietet Patente, die gegen die guten Sitten verstoßen würden (PatG §2).


Wenn man beispielsweise über Wucher redet, ist das oft ein sittenwidriges Rechtsgeschäft, wenn es unter Ausnutzung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangels an Wissen oder Stärke eines anderen abgeschlossen wird und in einem "auffälligen Missverhältnis zu der Leistung" steht.

Nehmen wir als Beispiel an, jemand mietet einen Dauerstellplatz auf einem Campinggelände. Mit dem Besitzer des Mobilheims, das darauf steht, ist er schon einig geworden. Dem Inhaber des Campingplatzes ist er als Nachfolger auf dem Platz willkommen und so wird ein Vertrag gemacht - aber im letzten Moment wird eine unwahrscheinlich hohe Kaution von 5000 Euro verlangt. (Üblich sind in diesem Rahmen 500 bis 1000 Euro.)

Das Vertrackte an der Situation ist: Das Mobilheim ist bereits gekauft und bezahlt. So muss der Neucamper gezwungenermaßen einwilligen, wenn er das Kaufobjekt in Besitz nehmen möchte. Sein Protest bzw. alle Argumente gegen den Wucher werden nicht anerkannt.

Ein guter Anwalt wird allerdings wegen der "Teilnichtigkeit" des Mietvertrages lt. § 139 in diesem Fall nun nicht unbedingt das ganze Rechtsgeschäft als nicht existent ansehen, da anzunehmen ist, dass die Parzelle auch ohne den sittenwidrigen Teil übernommen worden wäre.

So what.

Der Einwand des Platzbetreibers war übrigens, er handele nicht mit "verwerflicher Gesinnung", da es doch "logisch und nachvollziehbar" wäre, sich gegen einen eventuellen kostenintensiven Abriss des Gebäudes abzusichern.

Und doch geht es um Sittenwidrigkeit, wenn wie hier Sinn und Zweck unpassend sind: Wieso ein Abriss ... gleich nach dem Kauf?

Im Laufe der Zeit kommt - anlässlich der Klage des Mieters wegen der gesetzlich erforderlichen und nach mehren Monaten immer noch nicht erfolgten Anlage seiner längst bezahlten Kaution - der eigentliche (anstößige) Zweck bzw. die unsittlichen Folgen des Rechtsgeschäfts heraus: Der Platzbesitzer wusste, dass das vom Mieter erworbene Gebäude ohne gültige Baugenehmigung illegal errichtet wurde und ihm von behördlichen Seite möglicherweise tatsächlich der "Rückbau" drohte.

Tja, das umfasst den Tatbestand des arglistigen Verschweigens bzw. der Täuschung lt. § 123 BGB.

Und nun wird's kritisch.

Der Mieter hat sich gutgläubig auf Dauer auf dem Ganzjahresplatz eingerichtet.

Jedoch dem Platzbetreiber fällt jetzt ein, dem Mieter zum Ende der Saison schnell mal eben zu kündigen, um den "schwierigen Fall" loszuwerden. Das verstößt aber gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Danach muss auf die berechtigten Interessen eines Vertragspartners Rücksicht genommen werden, wenn der seine Rechte redlich ausübt. Das ist ein elementares Prinzip der Gerechtigkeit, auf das die jeweils andere Seite vertrauen kann!

Zudem existiert lt. § 226 BGB ein sogenanntes Schikaneverbot, was den Begriff des Rechtsmissbrauchs beinhaltet: "Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie den Umständen nach nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“

Als Konsequenz so eines "treuwidrigen Verhaltens" können dem Campingplatzbesitzer nun zivilrechtliche oder auch strafrechtliche Folgen drohen... Cool

Quelle: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de